Laschet hat Recht

aus der AZ vom 13.10.2016:

„Das schafft ein Klima, aus dem Aggressionen entstehen“

CDU-Vize Armin Laschet über die Hintergründe seiner Wutrede in der Talkshow „Hart aber fair“. Sorge um die Stimmung im Osten.

Aachen. Am Ende der Talkshow „Hart aber fair“ staunten die TV-Zuschauer: So hatte man Armin Laschet, den NRW-Vorsitzenden der CDU, noch nicht oft erlebt. Ganze Landstriche im Osten hätten „nicht gelernt, Respekt vor anderen Menschen zu haben“, polterte der Aachener. Schuld seien 40 Jahre Kommunismus. Im Interview mit unserer Zeitung erklärt Laschet, warum er mit dem folgenden Shitstorm gut leben kann.

Herr Laschet, war das eine kalkulierte Wutrede, wie oft zu lesen war, oder haben Sie sich in der Talkshow dazu hinreißen lassen?

Laschet: Nein, das war nicht kalkuliert. Es war ein engagierter Diskussionsbeitrag, weil mir dieses Gerede der AfD auf die Nerven geht. Die Art und Weise, wie derzeit in Ostdeutschland das Diskussionsklima immer weiter vergiftet wird, ist einzigartig. Diesen persönlich aggressiven Ton kennen wir aus Westdeutschland nicht. Man darf sagen: „Merkel muss weg.“ Man darf das auch den ganzen Tag brüllen. Aber dass Menschen in Dresden die Bundeskanzlerin, den Bundespräsidenten mit übelsten Schimpfwörtern beleidigen, die Sie in dieser Zeitung niemals drucken könnten, das macht mich fassungslos. Und dass man die gesamte Staatsspitze am Nationalfeiertag als „Volksverräter“ hinstellt. Meine Sorge ist: Wenn am Ende alle glauben, dass Merkel und Gauck wirklich „Volksverräter“ sind, dann liegt das Feuer an der Lunte. Das schafft ein Klima, aus dem Aggressionen entstehen. Dann kommen wir womöglich so weit, dass sich jemand ermutigt fühlt, am Ende Gewalt gegen diese angeblichen „Volksverräter“ anzuwenden.

Das ist ein spezifisch ostdeutsches Problem?

Laschet: In dieser Form, ja. In Dresden hat zum Beispiel ein Dunkelhäutiger den Gottesdienst zur Deutschen Einheit besucht. Beim Gang in die Kirche waren Affenlaute zu vernehmen, die wir früher nur aus Fußballstadien kannten. „Abschieben!“, wurde skandiert. Das ist purer Rassismus. Wir haben es mit viel Mühe geschafft, so etwas aus den Stadien zu verbannen. Und im Osten erleben wir es nun vor einer Kirche. Diese vielzitierte internationale Solidarität, die die DDR propagandistisch pflegte, ist dort offenbar nie gelebt worden. Das habe ich einfach einmal deutlich machen wollen. Das ähnliche Phänomen haben wir in Mittel- und Osteuropa in zig Staaten. Das ist überall ein ähnlicher Mangel an Fähigkeit, mit Andersartigkeit umzugehen.

Wobei bislang niemand ein Mittel dagegen gefunden hat. An Ihrem Beitrag sieht man ja gut, dass dies schnell auf einen West-Ost-Konflikt reduziert wird. Ist das Elitenfeindlichkeit, die hier im Osten zum Ausdruck kommt?

Laschet: Ich glaube, dass noch immer viele Menschen im Osten unter Minderwertigkeitsgefühlen leiden, wie sie früher eher die Linke bedient hat. Ich habe mir auf Twitter die Reaktionen ganz genau angeschaut. Wenn man sieht, was die Kritiker dort schreiben, dann wird klar, dass es sich entweder um AfD-Anhänger oder Leute aus der ganz rechten Szene handelt – bei geschätzt mindestens 80 Prozent der Beiträge. Übrigens sind durchweg alle begeistert von Donald Trump. Diese Leute ärgern sich natürlich besonders über den Vorwurf, dass der Kommunismus schuld daran ist, dass ihnen die Köpfe vernebelt wurden. Klar: Es gibt auch im Westen Neonazis und Rechtsradikale. Der Unterschied ist, dass extreme Ansichten im Osten in der Mitte der Gesellschaft drohen, konsensfähig zu werden.

Ärgert Sie der Begriff Shitstorm? Manche machen sich auf Twitter ja auch nur einen Sport daraus, Talkshows zu kommentieren.

Laschet: Ich bin spätestens seit der Flüchtlingsdebatte Kritik gewöhnt. Ich kann das einschätzen und nehme das nicht persönlich – auch wenn die Beschimpfungen manchmal extrem persönlich sind. Ich möchte auch keinen Ost-West-Konflikt heraufbeschwören. Aber einmal muss man dies auch in aller Deutlichkeit und im Klartext sagen können.

Sie sind auf Twitter sehr aktiv. Was bedeutet das Soziale Netzwerk für Ihre politische Arbeit?

Laschet: Für mich ist Twitter ein wertvoller Pegel, um Stimmungen zu erfassen. Außerdem erreiche ich einfach sehr viele Menschen dort: Zum Beispiel haben meinen Tweet zur Verhaftung des Terrorverdächtigen in Leipzig 65 000 Menschen gelesen. Ich schrieb: „Die wahre Schlagzeile lautet: Syrer nehmen Terrorverdächtigen fest und übergaben ihn gefesselt der Polizei.“ Mit diesem Tweet konnte ich also den Blick auf das eigentliche Thema richten. Nicht die Polizei, sondern ein couragierter Syrer stellte den Terrorverdächtigen. Ich habe noch nie erlebt, dass ein Gewalttäter gegen Flüchtlinge von den eigenen Leuten der Polizei übergeben wurde.

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